Erfahrungsräume

Der erste SpielZeit-Block in dieser Saison ist zu Ende. Zeit für Reflexionen, die ich hier mit euch teilen möchte:

Das Zusammensein in einem Raum, in dem wir Erwachsene an die Kinder keine Erwartungen stellen, sondern nur wahrnehmen, beobachten was sie uns an momentanen Interessen, Bedürfnissen, Fähigkeiten, Vorlieben und Abneigungen zeigen finde ich sehr wertvoll. Es ist Raum da für die Entfaltung ihrer Individualität. Niemand sagt ihnen „Oh! Schau – das ist schön – damit könntest du doch spielen!“ Oder „Bravo!! Toll hast du das gemacht – komm gleich nochmal – das schaffst du!“ oder  „Du könntest mit Dingsda spielen – die mag sicher auch mit den Kastanien schütten!“
Nein – wir Erwachsenen halten uns zurück, geben keine Ideen vor – sie „müssen“ oder dürfen ihre eigenen Ideen entwickeln.

Und nicht nur ihre eigenen Ideen setzen sie im Spiel um. Auch das Tun der anderen Kinder animiert sie, gibt ihnen wieder neue Anregung für ihr eigenes Spiel.
Je älter desto bewusster interagieren sie. Zuerst ahmen sie Laute der anderen Kinder nach, irgendwann dann Worte oder Tätigkeiten. Später entwickelt sich dadurch ein gemeinsames Spiel nebeneinander und noch später ein gemeinsames Spiel miteinander.
Da klopft das eine Kind mit der Blechschüssel auf den Boden und ein anderes Kind bewegt sich im Rhythmus dazu. Da ruft ein Kind „Wau-Wau“ und ein anderes (während es ganz vertieft mit Filzkugeln hantiert) sagt leise „Wau-Wau“. Da baut sich eines der Kinder mit einem großen Tuch beim Dreieck-Ständer eine Höhle und ein anderes Kind holt sich auch gleich ein Tuch und hängt es sich über den eigenen Kopf um sich zu verstecken.

Sie folgen ihren eigenen Ideen, lassen vielleicht das Eine oder Andere von den anderen Kindern einfließen in ihr Spiel – aber auf ihre Art. Und das ist das Wesentliche. Es ist kein kopieren sondern ein ausprobieren: „Passt das zu mir? Wie fühlt sich das für mich an? Will ich das auch so machen?“

Durch ihr vielfältiges Tun mit dieser Entscheidungsfreiheit erleben sie sich selbst als wirksam: „Ich kann was – ich be-wirke was! Ich mache, was zu mir passt!“
Dass dadurch ihr Selbstbewusstsein enorm gestärkt wird ist klar.
Dies ist für mich ein wesentliches Fundament für eine gesunde, ganzheitliche Entfaltung ihres Potentials.

Manchmal ist es vielleicht eine Herausforderung für die Eltern zu sehen, was das eigene Kind macht – oder eben nicht macht. Manchmal sind Eltern einfach müde, weil es zuhause gerade etwas turbulent ist und die Verantwortung für all die Aufgaben die das Begleiten von Kindern mit sich bringt wie ein zu großer Schuh an einem zu kleinen Fuß erscheint ( in den wir als Eltern aber bestimmt hinein wachsen werden). Und manchmal ist da einfach die Freude, dass das eigene Kind so ist, wie es ist.
Manchmal ist da ein so tiefes Gefühl der Dankbarkeit, ein Gefühl von Verbundenheit und Zärtlichkeit. Sie staunen über die Ideen, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten von Morgen die die Kinder durch ihr Spiel zeigen.

All diese unterschiedlichen Wahrnehmungen, Gefühle, Empfindungen sind bei den Eltern vielleicht präsent während sie sitzen, sich zurück nehmen und nur zu schauen. Der Raum ist nicht nur für die Kinder da.
Auch die Eltern dürfen einfach sein – mit allem was ist – und auch sie dürfen ohne Erwartungen an sich selbst wahrnehmen, was sie bewegt, was sie beschäftigt…sie können es einfach innerlich vorbei ziehen lassen, ohne an Gedanken und Gefühlen fest zu halten.

Und dafür bewundere ich die Eltern. Dass sie es aushalten, sich zurück zu nehmen. Dass sie es aushalten, ihre Gedanken kommen und gehen zu lassen. Dass sie bereit sind, sich für das tiefe Gefühl der Verbundenheit zu öffnen (dass sie dann auch bestimmt ein wenig durch den manchmal herausfordernden Alltag trägt).

Und ich bewundere die Kinder – immer wieder. Wie sie den Raum jedes mal anders „erobern“ jedes mal und immer wieder Neues und Altbekanntes miteinander verweben und sich ganz im Hier und Jetzt einlassen auf ein Spiel…

Was sie wohl beim nächsten SpielZeit-Block alles machen werden?