In den ersten Jahren mit Kindern verbringen wir Eltern viel Zeit damit, sie zu wickeln. Das ist zu Beginn eine recht einfache Sache, da diese kleinen Wesen dann noch relativ ruhig da liegen und wir ausziehen, waschen und Windeln wechseln ohne größere Schwierigkeiten „erledigen“ können.
Aber – es geht ja so schnell und dann ist von ruhig da liegen und Mama oder Papa mal machen lassen wenig übrig. Die Füße zappeln, die Hände greifen nach Diesem und Jenem und kaum können sie sich drehen, scheint es mehr so zu sein, als hätten wir einen Hubschrauber auf dem Lande-oder Abflugplatz zu wickeln statt einem Kind. Ständiges drehen, keine Zeit, um auch nur eine Sekunde ruhig zu liegen.
Dann wird das Wickeln mitunter zu einer großen Herausforderung. Es graust uns womöglich schon davor, diese täglich mehrmals wiederkehrende Sache durchziehen zu müssen.
Auch die Kinder reagieren – wollen schon gar nicht zum Wickeltisch und äußern lautstark ihren Protest. Wenn sie dann laufen und womöglich schon ein paar Worte artikulieren können, hören wir klar und deutlich ein „Nein“ während sie in die entgegengesetzte Richtung des Wickeltischs flüchten.
Viele Eltern, die ich von meinen SpielZeit-Gruppen kenne, erzählen immer wieder von diesen Herausforderungen beim Wickeln.
Wie gerne würde ich euch hier an dieser Stelle das geniale Video einer Wickelsituation zeigen, das ich im Zuge meines Pikler-Praxisbegleitungskurses sah. Wir Teilnehmerinnen haben die Aufgabe, immer wieder aus unserer Arbeit Videos mit zu bringen um diese dann gemeinsam ganz genau zu analysieren und zu reflektieren. Daraus lernen wir sehr viel! Allerdings sind diese Videos natürlich nur für Ausbildungszwecke und dürfen nicht irgendwo sonst gezeigt werden.
Im Fall dieses Wickelvideos ist das sehr schade! Meiner Kurskollegin, die in einer Kinderkrippe arbeitet, ist es so wunderbar gelungen, ein zehn Monate altes Kind zu wickeln, obwohl dieses Menschlein wirklich ständig in Bewegung war. Die Kleine hatte ihr großes Geschäft erledigt und so war es an der Zeit zu wickeln. Meistens in Bauchlage oder in der Krabbelposition, stets um sich selbst drehend, ständig interessiert an allen Dingen, die es zu ertasten gab, war sie beim Wickeln mit Freude und Neugier dabei.
Meine Kurskollegin begleitete, wie das in der Pikler-Arbeit so üblich ist, alles was geschah mit Worten. Sie sprach an, was sie tat, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich darauf einlassen zu können, vorbereitet zu sein. Sie sprach an, was das Kind tat, um dem Kind zu zeigen, dass es gesehen und ernst genommen wird in seinem Tun.
Im Sinne von Emmi Pikler, die die freie Bewegungsentfaltung der Kinder als wichtige Basis für ein gesundes, zufriedenes Aufwachsen der Kinder erkannte, respektierte meine Kurskollegin die Bewegungen des Kindes und passte ihre Wickelaufgaben dementsprechend an.
Zweimal kündigte sie dem Kind an, dass sie es jetzt kurz auf den Rücken legen werde. Die Kleine lag zufrieden da und drehte sich sofort um, nachdem meine Kurskollegin, die vorher angekündigte Pflegehandlung mit einem „so, jetzt,…“ abgeschlossen hatte. Beim zweiten Mal legte sie sie kurz auf den Rücken, um zwei Knöpfe am Body zuzuknöpfen, die sie in der Bauchlage des Kindes nicht zu brachte. Auch hier lag die Kleine kurz ruhig, bis sie merkte, dass die Knöpfe zu waren, danach drehte sie sich flink wieder auf den Bauch. Strumpfhose und weiche Lederhausschuhe wurden wieder in der um sich rotierenden Bauchlage der Kleinen angezogen. Beide waren während des Wickelns in einem guten Kontakt zu einander – immer wieder Augenkontakt oder ein Kommunizieren mit Worten bzw. Lauten.
Die freie Bewegungsentfaltung der Kinder zu respektieren und sie dadurch nicht in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken und womöglich zu zwingen, in der Rückenlage auf dem Wickeltisch zu liegen ist wie gesagt ein Grundsatz in der Pikler-Pädagogik. Wir passen uns einfach den Bewegungen des Kindes an und wickeln das Kind auch in Bauchlage, im Kniestand oder in Stehen.
Das geht doch nicht -meint ihr? Doch – es geht. Egal was in der Windel ist – flüssig oder fest, es geht.
Nein, es ist nicht immer so einfach, aber es ist viel entspannter und auch abwechslungsreicher in der Interaktion mit dem Kind.
Zudem gibt es dadurch viele Wickelsituationen, in denen wir die Kooperation der Kinder und ihre wachsende Selbständigkeit ganz bewusst wahrnehmen. Da ist der Fuß, den sie uns schon her strecken, um in die Strumpfhose zu kommen. Da ist der Arm, den sie durch den Ärmel schieben. Da ist die Bereitschaft, sich auch mit einem feuchten Tuch abzuwischen. Die Botschaft, die die Kinder durch diese beziehungsvolle Pflege erhalten ist, dass sie und ihr Körper es Wert sind, achtsam, respektvoll behandelt zu werden. In diesem Sinne kann ich Emmi Piklers Aussage, dass Friedenserziehung auf dem Wickeltisch beginnt sehr gut verstehen und bestätigen. Das Bild, welches Kinder von sich selbst vermittelt bekommen durch die Interaktion mit den Eltern ist prägend. Die Interaktion beeinflusst auch das Zusammensein im Alltag. Und bevor der Wickeltisch zur Kampfzone wird und sich dadurch auch sonst im Alltag bestimmte Situationen unangenehm zuspitzen, ist es Zeit, genauer hin zu schauen.
Um Kinder entspannt wickeln zu können, können folgende Punkte hilfreiche Anhaltspunkte geben:
- Kündige ich dem Kind das Wickeln früh genug an, damit es sich darauf einlassen aber auch evtl. noch seinen Protest äußern kann? Und wie geht es mir mit diesem Protest? Bin ich klar in meiner Haltung? Wie viel Raum kann ich diesem Prozess geben?
- Ist der Wickeltisch für die zunehmende Bewegungsfreiheit des Kindes geeignet/sicher?
- Ist alles, was für das Wickeln, Umziehen usw. gebraucht wird in Reichweite?
- Welche störenden, ablenkenden Gegenstände gilt es zu entfernen, damit die Aufmerksamkeit des Kindes “ bei der Sache“ ist? (Mobile, Cremedosen, Spielzeug)
- Erlaube ich mir und dem Kind in der Wickelsituation ungestört zu sein? (Handy, Geschwister usw.)
- Ist das Kind schon so weit in seiner Bewegungsentwicklung, dass es Zeit ist, statt eines Wickeltisches auf einen Wickelhocker umzusteigen?
- Welche Handgriffe kann ich mir aneignen, um ein Wickeln in sämtlichen Positionen gut zu meistern?
- Wie kann ich das Kind immer wieder einladen, beim Wickeln mit dabei zu sein?(auf den Fuß tippen und fragen, kannst du mir diesen Fuß in die Hose strecken? zwei T-Shirts hin halten und fragen, welches möchtest du anziehen? Ein feuchtes Tuch reichen und anbieten, dass sich das Kind auch abwischen kann)
Natürlich haben wir nicht immer Zeit und Energie, uns wirklich so intensiv einzulassen beim Wickeln. Aber die Einladung immer wieder anzunehmen, in bezieungsvolles Miteinander einzutauchen, entspannt und tut allen gut. Und gegen eine friedliche Stimmung ist wohl nichts einzuwenden 🙂