Plädoyer Fürsorge

Mich um meine Kinder zu kümmern war und ist für mich etwas sehr erfüllendes, wertvolles und lehrreiches. Von Anfang an war mir klar, dass ich sie nicht in eine Einrichtung geben möchte, bevor sie in den Kindergarten kommen. Die Zeit zuhause mit ihnen, ohne Termine und Pläne wollte ich mir nicht nehmen lassen. Ich war und bin mit Leib und Seele Mama. Dass ich mich dafür hin und wieder rechtfertigen musste, ist mir mehr als übrig. Ich möchte in meiner Entscheidung, Zeit in die Fürsorge meiner Kinder investiert zu haben, respektiert werden.

Der Alltag mit Kindern ist nicht immer ein Honiglecken. Auch wenn wir uns um ein älteres oder krankes Familienmitglied kümmern, ist dies oft eine große Herausforderung. Dennoch glaube ich, ist die Fürsorge, die wir anderen Menschen, Lebewesen – ob klein oder groß, ob gesund oder krank – zukommen lassen, etwas sehr essentielles! In der Sorge für jemanden – in der Fürsorglichkeit, zeigen wir unser Mitgefühl, zeigen wir unsere Beziehungsfähigkeit und genau genommen auch die Fähigkeit für uns selbst Sorge zu tragen.
Fürsorge braucht Zeit und Geduld. Es geht nicht darum, irgendwelche Pflegehandlungen zu erledigen. Für mich bedeutet Fürsorge, dass wir uns um einen anderen Menschen, um ein anderes lebendes Wesen, so kümmern, dass es dem Wesen entspricht. Mit Hingabe und Bewusstheit für dessen individuellen Bedürfnisse.

Durch meine Elternschaft habe ich nicht nur gelernt, mich mit Fürsorge um sie zu kümmern, ich habe auch gelernt, was ich brauche, damit ich fürsorglich sein kann. Ich habe Selbstfürsorge gelernt durch das mich kümmern um meine Kinder. Und ich glaube, ich bin noch lange nicht fertig damit, weiter von ihnen und mit ihnen zu lernen.

Was ich mir von der Gesellschaft wünschen würde, ist, mehr Achtung, ja, mehr Hochachtung für all diejenigen Menschen, die sich um kleine, kranke, alte, beeinträchtigte Menschen kümmern. Die Zeit der Fürsorge sollte finanziell und auch im beruflichen Lebenslauf berücksichtigt und honoriert werden.

Wie traurig ist es, wenn eine Schwangere schon danach gefragt wird, wann sie wieder in den Beruf einsteigt. Warum? Noch bevor dieses kleine Wesen da ist und noch niemand sagen kann, wie das dann wird für Mutter, Vater und Kind machen wir schon Pläne, verplanen uns und lassen kaum Raum, damit da jemand in Ruhe ankommen kann und auch die Eltern sich neu finden können. Nein, das passt für mich nicht zusammen.

Für so viel wird Geld ausgegeben – aber warum ist da immer zu wenig Geld, damit Familien sich die Zeit der Fürsorge wirklich ohne Stress und Druck frei einteilen können. Denn – es ist nicht so, dass ich alle Frauen zurück ins vorige Jahrhundert schicken möchte – aber ich wehre mich dagegen, dass wir unsere Kleinsten gleich diesem „schneller – höher – besser“ Hamsterrad aussetzen. Und es gibt Lösungen. Aber die passen nicht in ein 100% und 40 Stunden-Wochen-Modell unserer kranken Gesellschaft.

„Lasst mir Zeit“

so lautet eine Kernaussage von Emmi Pikler.

Ja, lassen wir uns doch endlich Zeit, um uns fürsorglich einander zuzuwenden. Unseren Kindern, unseren Kranken, unseren ältesten Mitmenschen und nicht zuletzt auch uns selbst.

Warum mir das gerade jetzt so wichtig ist? Weil wir ganz nah erleben konnten, wie fürsorglich unser Nachbarshund als  Hundemama sich um ihre kleinen Welpen gekümmert hat. Wie spürbar entspannt und angenehm diese Atmosphäre rundum das Heranwachsen der kleinen Vierbeiner war und wie wir nun eines dieser Hundebabys bei uns aufnehmen durften, als die Zeit dafür reif war.
Ich plädiere dafür endlich die Fürsorge als wichtiges Gut in unser aller Handeln aufzunehmen. Fürsorge für uns und alle anderen Lebewesen. Egal ob Mensch, Tier, Pflanze. Damit wir endlich gesunden.