Vor einiger Zeit holte ich die Kinder von der Nachmittagsschule ab. Es regnete in Strömen. Wir spazierten gemütlich nach Hause. Die Kinder waren vorsichtig darauf bedacht auch wirklich jede Wasserlache zu durchwaten, um zu schauen, welche denn ordentlich tief wäre. Unsere Unterhaltung plätscherte dahin wie die Regentropfen auf den Boden…
Frau Tochter: „Mama, ich mag dich so so gerne! Und den Papa auch!“
Ich:“Wir mögen dich auch sehr sehr gern!“
Herr Sohn, nüchtern lachend: „Auch wenn es manchmal ein Donnerwetter gibt!“
„Meinst du, wenn es Streit gibt oder ich mit etwas nicht so einverstanden bin?“ frage ich.
„Ja!“ bestätigt er.
„Wie ist denn das Donnerwetter für dich? Wie fühlt sich das denn an?“
„Es ist wie Nebel. Als ob ich durch den Nebel gehe und nichts mehr sehe,“ erklärt er mir.
Frau Tochter fügt hinzu:“Für mich ist es wie eine Mauer. Da ist dann einfach eine Mauer und ich kann nicht weiter.“
Wir redeten darüber, dass sich das traurig und einsam anfühlt, dass es manchmal wütend macht und wie es ist, wenn sich der Nebel auflöst, die Mauer verschwindet und wieder die Sonne scheint.
So einen tiefsinnigen Spaziergang hatte ich nicht erwartet! Was für ein Geschenk, mit den Kindern so in Verbindung zu sein! Wir haben einander verstanden und uns ausgetauscht, wie das ist – das Leben mit den Sonnen und Regentagen – mit dem sich vertragen und sich streiten. Mit dem sich ganz gern haben und einander nahe sein bis zu Situationen, in denen uns Mauern trennen und wir im Nebel herum irren…
Ein paar Tage später erzählten mir die Kinder beim Mittag essen, was sie in der Schule erlebt hatten. Die Lehrerin hatte ein eher ruhiges Bewegungsspiel mit der Klasse gemacht und anschließend die Kinder befragt, ob es ihnen gefallen habe.
Die Kinder zeigten daraufhin mit dem Daumen an ob es ihnen gut (Daumen hoch), halb-halb (Daumen zur Seite) oder nicht so gut (Daumen nach unten) gefallen hat.
Frau Tochter regte sich darüber auf, dass diejenigen, die befreundet sind, dann sowieso immer genau das gleiche Daumen-Zeichen geben.
Frau Tochter: „Ich hab einfach aufgezeigt und der Lehrerin gesagt, wie ich es fand!“
Das hat mich erstaunt und gefreut!
Es hat mich gefreut, weil ich merke, dass es sich lohnt, ihnen vorzuleben, dass das Reden über unsere Gefühle unser Denken, das Ausdrücken der eigenen Meinung mit mehr als nur „mir gefällt das“ oder „mir gefällt das nicht“ wichtig ist für unser zusammenleben. Obwohl manches dadurch natürlich länger dauert – aber es lohnt sich. Denn mit einem Daumen hoch oder Daumen runter kann nicht wirklich ausgedrückt werden, was wir empfinden.Natürlich ist es eine einfache Form der Rückmeldung. Sie lässt aber ein ganzes Spektrum an echten, authentischen Rückmeldungen nicht zu. Ich glaube, es ist wichtig – nicht nur für Kinder sondern auch für uns Erwachsene – immer wieder zu üben, die Worte zu finden, die ausdrücken, was in uns vorgeht. Sich darin zu üben, differenzierter zu sagen, was wir fühlen und denken. So bleiben wir in Verbindung mit uns selbst und haben die Chance auch mit unserem Gegenüber wirklich in Verbindung zu kommen. Wir können einander dadurch vielleicht besser verstehen. Können dadurch besser aufeinander eingehen und ein wirkliches miteinander leben.
Ich glaube, es ist gut sich einen großen Gefühlswortschatz anzueignen und immer wieder mal inne zu halten, in sich hinein zu spüren und zu fragen:“was empfinde ich – jetzt?“ Und auch unseren Kindern diese Frage zu stellen: „wie hat sich das für dich angefühlt?“ oder „was denkst du?“ Kann gut sein, dass sie dabei vielleicht eine kleine Hilfestellung brauchen „fühlst du dich klein?“, „ist es gerade etwas schwer?“ oder „fühlst du dich ganz leicht und fröhlich?“ aber je mehr sie unsere Offenheit und unser Interesse für ihre Äußerungen spüren und auch wir von unserem Empfinden reden, desto mehr können sie selbst ausdrücken, was in ihnen vorgeht.
Wie viele Worte habt ihr für euren momentanen Gefühlshaushalt?