Ich weiß nicht wie das bei euren Kindern ist, aber unsere beiden jungen Menschen scheinen derzeit einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn zu haben! Keine Ahnung wann sie sich darüber einig werden, zu welcher Stunde wer an der Reihe ist, um für ein Aufwallen der Gefühle und die Strapazierung sämtlicher Nerven zu sorgen. Vielleicht hecken sie das in der Nacht aus? Wahrscheinlich führen sie eine Art „Stundenliste“ wer wann mal so richtig Gas geben darf?
Sie teilen sich das wirklich sehr sehr gerecht auf. Das finde ich doch auch lobenswert!
Es ist so, wie wenn im Sommer die Erdbeeren im Garten gerecht aufgeteilt werden oder jeder genau gleich oft beim Schaukeln an die Reihe kommt.
Abwechslungsweise macht mal der Eine einen Aufstand, weil das dringend benötigte Lego-Teilchen nicht dort ist, wo es sein sollte wodurch er natürlich nicht am gemeinsamen Abendessen teilnehmen kann.
Selbst nach dem die restliche Familie das Essen unterbricht, eine Suchaktion gestartet hat und das fehlende Lego-Teilchen gefunden wurde ist noch nicht genug der Aufregung – nein – das war nur der Einstieg in eine undurchschaubare Krise, bei der aber wirklich gar nichts passt und wir als Eltern so was von schlecht weg kommen, sowieso einfach nur doof sind und im Prinzip überhaupt keine Ahnung von irgendwas haben.
Und trotz der Geduld, dem Verständnis, welches wir dann mühevoll zusammen kratzen, macht es plötzlich „zack“ und dann liegen die Nerven bei uns Großen blank, haben wir einfach genug oder werden laut und dann – ja dann – oh! Dann wird natürlich der Eine auch laut und kommt erst so richtig in Fahrt!
Und was macht die Andere während dessen??!?
Seelenruhig – völlig zufrieden mit sich und der Welt, absolut kooperativ und wirklich ein „Musterkind“ – wohnt sie diesem Chaos bei.
Und wenn dann der Vulkanausbruch beim Einen vorbei ist, wir Eltern uns auch wieder auf dem Boden der Realität befinden und es irgendwie ein halbwegs harmonisches Ende gab, dann fragen wir vielleicht noch nach „was war nun eigentlich los?“ Die Antwort lautet in den meisten Fällen: „ich weiß auch nicht“
Aha, soso…naja…Hauptsache wir haben den Sturm überstanden! War vielleicht einfach zu viel heute, zu müde, zu anstrengend, zu …
Aber ist dann für längere Zeit Ruhe? Nein!
Kaum haben wir einmal tief durch geatmet fängt die Andere an. Denn, wie gesagt, sie wechseln sich ja netterweise ab. Gerecht soll es ja sein, das ist den Geschwistern sehr sehr wichtig!
Jeder der Beiden darf mal und wir dürfen gleich auch wieder mit in die Achterbahn…und das Ganze geht von vorne los und was beim letzten Mal funktioniert hat, um eine gute Lösung zu finden, funktioniert jetzt ganz bestimmt nicht. Nein – das wäre aber auch viel zu einfach – tztz…nix da – kein Kinderkram! Nichts für schwache Nerven! Mitten rein ins Gefühlschaos – Nerven testen, Gelassenheit herausfordern,…
Und wieder ist es so, dass während die Andere für Schweißausbrüche bei uns Eltern sorgt, der Eine ganz entspannt ist und so tut als ob alles in bester Ordnung wäre.
Kennt ihr das? Könnt ihr das auch mit Humor nehmen?
Ich hab lange nach einem positiven Aspekt dieser „abwechslungsreichen Phasen“ gesucht. Aber nun hab ich ihn gefunden: Ich freue mich über den ausgeprägten Gerechtigkeitssinn meiner Kinder, gestehe ihnen ihre Experimentierfreude im Bezug auf herausfordernde Situationen zu. Gleichzeitig gestehe ich mir zu, dass ich einfach manchmal auch in der Achterbahn sitze und erst hinterher drauf komme, was da jetzt alles rauf und runter, hin und her, vor und zurück „geworfen“ wurde. Ein Zitat von Jesper Juul hat mir hier gut getan:
„Keine andere Familie auf der Welt ist mit unserer identisch. Also müssen wir gemeinsam experimentieren, um einen Weg zu finden, mit dem wir alle zufrieden sind.“
Ja, wir sind gemeinsam auf dem Weg und da kracht es manchmal…der Weg ist manchmal einfach holprig…aber es lohnt sich, ihn zu gehen…selbst wenn es nur darum geht, dass sich die Kinder ihre Krisen gerecht aufteilen 😉