Kooperation oder Widerstand

Wenn Kinder ihren eigenen Willen entdecken,  erleben wir Eltern hin und wieder, wie stark sich die Kinder gegen uns und unsere Vorstellungen stellen. Da sitzen diese kleinen Menschen am Boden, spielen zufrieden und wir müssten doch eigentlich mal wirklich auf den Weg gehen, um einzukaufen, jemanden zu besuchen, rechtzeitig zu einem Termin zu kommen oder was auch immer. Natürlich bereiten wir diese spielenden, in ihrer Welt versunkenen Wesen auf das Kommende vor…“Du, es ist jetzt bald Zeit, um in den Kindergarten zu gehen. Bist du schon bereit?“ Vielleicht kommt ein „Ja“ und das Kind steht auf, geht sich anziehen und wartet dann geduldig, bis wir auch soweit sind. Ach, wie wär das schön, wenn das immer so wäre!!
Aber, das wäre ja wahrscheinlich auch zu langweilig. Wie viel spannender ist es, wenn wir die ganze Bandbreite an möglichen Reaktionen und möglichen Szenarien durchleben können!!! Und das weit über das Kindergartenalter hinaus!
Also nochmal: das Kind reagiert vielleicht mit einem „Nein“.
Aha.
„Du bist noch ganz vertieft im Spiel, hm? Ich richte erst mal alles her,  was wir noch brauchen, um startklar zu sein, dann hol ich dich zum Anziehen.“
„Nein.“
„Hast du grad keine Zeit….versteh ich…:“
Dabei richten wir unsere Aufmerksamkeit auf uns und bereiten uns auf das aus dem Haus gehen vor…manchmal bekommen wir aber dann schon einen kleinen Schweißausbruch, weil wir befürchten, dass es heute wieder viel Geschrei und Gezeter gibt….durchatmen…dem Kind seinen Widerstand zugestehen und dennoch klar und deutlich das Ziel nicht aus den Augen verlieren, heißt die Devise.

Es ist ja auch verständlich, dass die Kinder in ihrer Gestaltung des Tages nicht ständig gestört werden möchten. Allerdings ist es auch verständlich, dass wir als Erwachsene die Verantwortung tragen, manche Dinge zu entscheiden und zu tun, da die Kinder dies mangels Lebenserfahrung einfach noch nicht entscheiden, tun können. Zudem haben auch wir Eltern Bedürfnisse und sind nicht nur zuständig dafür, dass wir die Bedürfnisse der Kinder wahrnehmen und ihnen Raum geben sondern wir sind auch für unsere eigenen Bedürfnisse verantwortlich.

Auch wenn das Kind im Moment gar keine Lust hat, um in den Kindergarten zu gehen, weil es gerade noch spielen will oder tausend andere Dinge machen möchte, bevor es bereit ist. „Ja, ich kann verstehen, dass du hier weiter machen möchtest, aber jetzt ist es Zeit. Mir ist es wichtig, dass du heute in den Kindergarten gehst. Ich brauche ein bisschen Zeit für mich und ich möchte noch ein paar Dinge erledigen.“
Wie viel Spielraum lassen wir zu, bis wir sagen – bis hierher und nicht weiter?  Wann sagen wir:“Jetzt ist Schluss. Wir gehen. Entweder kommst du selber oder ich hole dich jetzt her.“

Wie geht es uns, wenn das Kind dann herum schreit, die Spielsachen herum wirft, die Türen zu knallt?  Wie geht es uns, wenn der Widerstand der Kinder sich darin zeigt, dass sie immer wieder unsere Aufforderungen  scheinbar „auslachen“, es als Spiel betrachten, vor uns davon zu laufen und das ganz witzig finden? Oder einfach nur da sitzen wie ein Stein und sich nicht bewegen? Ein stiller aber starker Widerstand.
Wie geht es uns mit all diesem Widerstand?  Wie geht es uns wirklich dabei – was für ein Film läuft innerlich bei uns ab? Warum fällt es uns so schwer, mit dem Widerstand der Kinder umzugehen? Ist es nicht ihr gutes Recht, zu zeigen, was ihnen passt und was nicht?
Entweder es wird ganz schön eng in uns und wir spüren, dass wir das nicht aushalten, auch schreien müssen, um diesem (innerlichen und äußerlichen) Druck widerstand zu leisten. Oder wir werden fahrig und grob, was wir eigentlich auch gar nicht möchten, ziehen das Kind ärgerlich unter ständigem Geschimpfe an und schleifen es beinahe aus dem Haus.
Anstrengend klingt das und ich bin mir sicher, dass wir das alle schon mal so erlebt haben und uns ganz schrecklich dabei gefühlt haben.
Am Liebsten würden wir uns dann mitunter  ins Bett verkriechen – vielleicht nicht unbedingt in das kleine Puppenbett so wie unser Kater…aber doch bitte irgendwo, wo wir unsere Ruhe haben!

Dass die Kinder ihren Weg gehen möchten ist klar. Dass sie bei uns üben, Widerstand zu leisten ist auch klar. Dass sie grundsätzlich aber soziale Wesen sind und es in der Natur des Menschen liegt zu kooperieren das ist für mich absolut klar!

Also – warum nur haben wir trotz dieser klaren Erkenntnisse so viel Mühe?
Vielleicht übersehen wir viel zu sehr, dass die Kinder, wenn sie widerstand zeigen, mit uns in Verbindung gehen möchten. Sie möchten uns und unsere Einstellung klar erkennen!
Hierzu die Zeilen einer Mama, mit der ich über dieses Thema geredet hatte und die mir eine Woche später folgendes schrieb:

„Es geht wirklich darum, im Inneren ganz klar zu sein, was ich will! Und dann Schleifen drehen lassen aber nicht auskommen lassen, dranbleiben…. Heute morgen war das dann sehr eindrücklich, Frau Tochter wollte sich nicht anziehen und waschen, ich kommunizierte klar, was ich von ihr wollte und ließ ihr dann aber Zeit, während ich zuerst die Kleine wickelte und anzog, Frau Tochter machte mit! WOW! Das ging dann immer so weiter und weißt du, was sie dann immer wieder tat? Sie umarmte mich und sagte mir, dass sie mich lieb hat! Immer wieder….
Das gab mir zu denken: Diese Grenzen und Vorgaben erzeugten Verbindlichkeit, Wichtigkeit, kommunizierten: „das ist mir jetzt wichtig“ und gleichzeitig „du bist mir wichtig!“ Frau Tochter empfand Verbindung!
Ich bin zufriedener, da ich mich in meinen Bedürfnissen ernst nehme und diese klar kommuniziere, auch wenn ich beim Gegenüber, in dem Fall den Kindern erst mal Widerstand ernte. Es ist tatsächlich eine tiefe innere Haltung: „hier stehe ich und das möchte ich“….“Ich bleibe dran und gebe nicht auf!“ Das Gegenüber empfindet das aber nicht als Niederlage oder „Klein beigeben“, sondern als Kraft, als Verbindung und Verbindlichkeit! Was für ein Lernfeld fürs Leben für mich! „

Also bleiben wir klar und halten den Widerstand der Kinder aus – nicht um gegen sie anzukämpfen sondern um uns gegenseitig in unseren Bedürfnissen anzuerkennen. „Ja, ich sehe, dass du nicht magst. Ich kann dich verstehen. Trotzdem gehen wir jetzt…ich sehe, dass du dich ärgerst….mir ist es jetzt wichtig….Ich helfe dir beim Anziehen…“

Und nebenbei bemerkt: Was wir auch leicht übersehen ist, wie oft die Kinder im Alltag ganz einfach kooperieren. Es fällt uns gar nicht auf und wir denken uns nichts dabei, nehmen es als Selbstverständlichkeit hin. Uns das bewusst zu machen hilft mitunter auch, die gelegentlichen Widerstände besser durch zu stehen.