Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag

Ich bin aufgewacht, weil ich die Kinder in ihrem Zimmer reden hörte. Sie begannen zu spielen. Der Eine mit Bagger und Stapler die Andere mit zwei verschiedenen Puppenwagen, jeweils mit Puppen und Kuscheltieren beladen.

Ich stand auf und war voller Ideen für einen Workshop den ich bald geben werde. Also machte ich das Frühstück und richtete nebenbei Sachen her, damit ich gleich mit der Umsetzung meiner Ideen beginnen konnte.
Plötzlich kam mir das zweite Grundrecht von Janusz Korczak in den Sinn: (in seinem Buch „Wie man ein Kind lieben soll“ stellt er 1919 drei Grundrechte für Kinder auf)

“ Das Eigenrecht des Kindes auf seine Zeit bzw. auf den
heutigen Tag“

Warum tauchte das jetzt in mir auf?
Unter der Woche ist die Zeit für diese Selbstbestimmtheit oft sehr eingeschränkt. Die Wochenenden und freien Nachmittage so einzuteilen, dass dieses Recht auf den heutigen Tag den Kindern eingeräumt, zugestanden wird, ist nicht immer leicht.
Heute, so nahm ich mir vor, möchte ich bewusst darauf achten, was sie alles machen, was sie so alles bewegen, diese zwei. Und wie viel davon sie für sich entscheiden können.

Die Kinder waren während den Frühstücksvorbereitungen dabei, Eierschalen mit dem Mörser zu zerkleinern und den Farbkreis mit Grundfarben und Mischfarben auf Servietten zu „zaubern“.

Nach dem Frühstück ging ich an die Arbeit. Ich fing an, zu schreiben und zu basteln. Natürlich wurden sie angesteckt. Der Große wollte natürlich auch mit der Schneidemaschine arbeiten, die Kleine wollte Kreise ausschneiden…sie bastelten herum, eine Österreich-Fahne, Dorfbach samt Brücke… als sie gerade ein Schulhaus neben den Dorfbach basteln wollten, hatten sie die Idee, wieder tauchen zu üben.

Also – ins Bad – Wasser in die große Schüssel, Taucherbrille anziehen und Kopf ins Wasser. Natürlich mit Muscheln und anderen Dingen in der Schüssel – damit es interessanter ist!

Ich hab an meinen Sachen weiter gearbeitet…wurde hin und wieder gebraucht, weil sie  den Schnorchel ausprobieren wollten, mehr Wasser brauchten…

Die Badezimmer-Party hatte dann in der Dusche ihren Höhepunkt. Bei dieser Gelegenheit wuschen sie sich noch die Haare.

Wieder trocken und angezogen bekamen sie Hunger – jeder verputzte einen Apfel.
Dann kam der Allerbeste Freund der Welt des Einen und die Kinder zogen sich gemeinsam ins Kinderzimmer zurück um Musik zu hören und zu spielen.

Ich war immer noch an meinem Zeug dran, als sie beschlossen, gemeinsam hinaus zu gehen. Sie verschwanden durch das Gartentor…mit meiner Bitte im Ohr, dass sie kommen sollen, wenn sie gerufen werden, weil wir Essen gehen.

Im Gasthaus warteten sie geduldig bis die Pizza endlich kam und aßen mit Genuss.

Wir waren mit dem Rad unterwegs und beschlossen, an den See zu fahren um nach Schwemmholz zu suchen und Holz für die Feuerschale zu sammeln.

„Das Kind soll demnach die Möglichkeit
bekommen, seinen Bedürfnissen nachzugehen, um sich so selbst zu verwirklichen, ohne
Zwang mit bloßem Anspruch auf das heutige Wohlbefinden“

Holz, Muscheln, Steine sammeln, einen Frosch unter einem Holz entdecken, eine Flusskrebsschere finden, Steine ins Wasser werfen, auf Bäume klettern, einen morschen Ast absägen (war ganz schön knifflig – auf den Baum zu klettern und den riesigen Ast abzusägen!) oder einfach da sitzen und mit dem Fernglas auf den See zu schauen… damit waren sie am Nachmittag beschäftigt.

Wieder zu Hause bearbeiteten sie den am Ufer gefundenen Ytong-Stein mit den Feilen. Das dabei entstandene „Mehl“ wurde geflissentlich in einem Kübel gesammelt und mit Wasser zu einem Teig verarbeitet. Und da sie schon mit Wasser angefangen hatten, ging es auch gleich mit Wasser weiter! Anscheinend war es nötig, die Terrasse mit Wasser und Besen zu schrubben. Auch der Gartenweg mit den großen Natursteinen und der Gehsteig vor dem Haus wurden gereinigt.

Nach dieser Putzaktion fuhren sie mit Go-kart und Trettraktor einige Runden auf dem Parkplatz vor dem Haus.

Bevor es Abendessen gab, hielten sie (gewaschen und im Pyjama) gemeinsam mit uns den Familienrat ab. Moderiert hat das Ganze unser Erstklässler, der sich für die Einführung des Familienrats eingesetzt hat.

Nach dem Abendessen ein kurzes Bilderbuch, zu jedem noch ins Bett kuscheln, um „Gute Nacht“ zu sagen und den Tag ausklingen zu lassen.

„Wenn ihr die Freude des Kindes und seinen Eifer zu deuten versteht,
dann kann euch nicht verborgen bleiben, dass das Vergnügen über
eine bezwungene Schwierigkeit, ein erreichtes Ziel, ein entdecktes Geheimnis die größte Freude darstellen, die Freude des Triumphs
und das Glücksgefühl der Selbstständigkeit,
der Beherrschung der Umwelt und des Umgangs mit den Dingen.“

Ja, sie haben sich einigen Herausforderungen gestellt. Sie hatten Freude bei ihrem Tun, sie brauchten Geduld und Mut. Sie folgten IHREN Interessen, konnten Selbstwirksamkeit erfahren, waren zufrieden und glücklich.
Und nach so viel Aktivität verständlicherweise auch müde!
Es war ein schöner, erfüllender Tag – auch für mich.

Wie geht es euch mit diesem Thema? Wie bringt ihr die Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder, die ja alle das Recht auf den heutigen Tag haben, unter?

 

 

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