Ich sitze vor dem Computer, tippsle Wörter und lösche sie wieder. Fange von vorne an und schau immer wieder mal aus dem Fenster….Zu meinen Füssen Hund und Katze, friedlich am Ruhen…viele Gedanken gehen mir durch den Kopf…
Schon so viele Jahre, Jahrzehnte arbeite und lebe ich mit Kindern und sehe, wie bereichert dadurch mein Leben ist. Kinder sind mir wichtig – keine Frage! Kinder brauchen Schutz, brauchen Kindheit, die sie vor dem zu frühen hineindrängen in die kopflastige Welt der Erwachsenen bewahrt. Kinder brauchen Achtung und Respekt für ihre Lebensprozesse die sich jeweils in ihrem ganz individuellen Zeitmaß vollziehen.
Was Kinder, so glaube ich, nicht brauchen, ist, dass wir sie auf ein Podest stellen.
Zu sehr, so erscheint es mir manchmal, sind Kinder oder ist das Kind ein Projekt. Und dieses Projekt muss gelingen! Es darf nicht scheitern! Und wenn, dann dringt das nicht an die Öffentlichkeit sondern „man“ verfährt mit der Methode „einfach schönreden“.
Von Schwangerschaft und Kinderzimmergestaltung über Geburtstage, Schule, Hobbys und Ausbildung – ganz vieles wird genau geplant, auf Erfolg ausgerichtet und wo es nur geht zu einem Event gemacht. Die Projekt-Kinder haben oft einen Terminkalender wie ein Manager. Einfach mal „Nichts tun“ gibt es höchstens kurz vor dem Schlafen gehen. Alles wird um dieses Kind, diese Kinder herum organisiert und nach ihnen ausgerichtet.
„Es ist ja die Aufgabe von uns Eltern, unseren Kindern was zu bieten. Deshalb gehen wir auch am Wochenende ins Konzert, Museum oder in den Zoo“, so höre ich. Oder: „Es ist wichtig, Kinder wettbewerbsfähig zu machen – Wettkämpfe helfen da!“
Neben solchen Eltern erscheine ich wohl als Rabenmutter, die ihren Kindern viel zu wenig bietet. Ich bereite sie nicht auf die Wettbewerbsfähigkeit vor, zeige ihnen wahrscheinlich auch zu wenig von der großen weiten Welt und all ihren Verlockungen…
„Projekt-Kinder“ , so ist zumindest meine Erfahrung, scheinen auf den ersten Blick selbstbewusst, wort-und weltgewandt. Bei genauerem Hinsehen wird dann deutlicher, dass sie Mühe haben, für sich zu sein, Langeweile auszuhalten, zur Ruhe zu kommen, emphatisch zu sein, ganz eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen…
Sie sind es gewohnt, dass ständig zumindest ein Erwachsener da ist, der ihnen sagt, was sie tun können (oder sollen), wie sie bestimmte Dinge zu beurteilen haben, wie sie über bestimmte Dinge zu denken haben…
Bleiben dabei nicht manchmal die ganz eigenen, tiefliegenden Potentiale der Eltern, die ihre Kinder als Projektmanager begleiten, auf der Strecke?
Ist dafür überhaupt noch Raum? Oder opfern sich diese Eltern für ihre Kinder auf? Hoffen sie auf Bestätigung von Außen im Sinne von „Toll, was eure Kinder alles machen! Und wo sie überall mit dabei sind!“
Und was ist mit den ureigensten Potentialen der Kinder?
Ich finde – Kinder sind auch nur Menschen. Keine Besseren und keine Schlechteren. Sie möchten, so wie alle Menschen, gesehen werden und ihr Leben leben. Aber – auf einem Podest ist es einsam. Da ist wenig Platz für freie Bewegung. Der ständigen Aufmerksamkeit der Eltern ausgesetzt, lässt es sich vielleicht nur durchhalten, wenn man alles schluckt und einfach mitmacht , also irgendwie resigniert. Oder ständig in Widerstand geht und doch keine Chance hat, weil die Eltern (noch) am längeren Hebel sitzen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns als Eltern auch immer wieder fragen, warum wir das was wir mit unseren Kindern tun, machen. Unsere Erwartungshaltung unsere Vorstellungen über sie, hinterfragen.WARUM genau ist uns dieses und jenes wichtig? Was ist unser Bedürfnis dahinter? Hilfreich finde ich hierzu den Text von Khalil Gibran, der einlädt, darüber nachzudenken, wie unser Bild von den Kindern ist:
Von den Kindern
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
und obwohl sie mit euch sind,
gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,
aber nicht eure Gedanken,
denn sie haben ihre eigenen Gedanken.Ihr dürft ihren Körpern ein Haus bauen,
aber nicht ihren Seelen.
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,
das ihr nicht besuchen könnt,
nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts,
noch verweilt es im Gestern.Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der
Unendlichkeit, und er spannt euch mit seiner Macht,
damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.Lasst euren Bogen von der Hand des Schützen
auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er
auch den Bogen, der fest ist.Khalil Gibran
Vielleicht bin ich ja auf dem Holzweg und meine Kinder werfen mir, wenn sie erwachsen sind, vor, ich hätte zu wenig mit ihnen unternommen, sie zu wenig gefördert oder Khalil Gibran hätte sowieso keine Ahnung und sei ja schon lange tot….naja…ich bin auch nur ein Mensch…